Herabgewürdigt zum Eigentum

(Zur späteren Verwendung)

In den Sippenverbänden der Steinzeit waren die Männer zuständig für die Jagd. Das verlieh ihnen eine herausgehobene, aber noch nicht die beherrschende Rolle. Als die Verbände größer wurden und es immer häufiger zu Kämpfen zwischen ihnen kam, waren die Männer zuständig für Kampf und Krieg. Daher wuchs ihnen die Führungsrolle zu. Weil die Frauen meist nicht die physischen Voraussetzungen hatten, um die damals vorhandenen klobigen Waffen wie Keulen, Äxte und Speere wirkungsvoll zu handhaben, waren sie dem „Schutz“ durch die Männer unterstellt, und es wurde ihnen von den Männern eine untergeordnete Bedeutung zugemessen. Anführer der Krieger fochten unter sich den Mächtigsten aus. Somit war der Ranghöchste immer ein Mann, und das galt nicht nur im Staat, sondern auch in der Familie. So entstand die patriarchalische Ordnung, die Jahrtausende lang bestand. Frauen waren bald nicht mehr die Schutzbefohlenen, sondern das Eigentum der Männer, erst des Vaters, dann des Ehemannes. Schließlich wurde ihnen nicht einmal mehr ein freier Wille zugestanden. Begründet wurde das mit der Tradition, später auch mit der Religion. Sogar die Wissenschaft beteiligte sich daran: Frauen hätten ein kleineres Gehirn und besäßen daher weniger Intelligenz.

So funktionieren die patriarchalisch geprägten Gesellschaften bis heute. Diese Strukturen sind sogar wieder auf dem Vormarsch. Der Arbeitsgesellschaft geht die Arbeit aus. Es gibt nicht mehr genug Arbeit für alle, von der man leben und eine Familie ernähren kann. Da ist es doch eine willkommene Idee, Frauen als Konkurrenz auszuschalten. Sie sollen wieder ausschließlich für Küche und Kinder zuständig sein und die „wichtige“ Arbeit den Männern überlassen. Ständig werden neue „Eigenschaften“ an Frauen „entdeckt“, weshalb sie angeblich keine „vollwertigen Menschen“ sind: Sie seien zu zart besaitet, nicht belastbar, nicht logisch, zu emotional, irrational, hysterisch, und so weiter.

Es ist kein Zufall, dass man Frauen früher in recht unpraktische Kleider gesteckt hat. Diese „Mode“ sollte auf subtile Weise ihre Bewegungsfreiheit einschränken. Mehrere Lagen von langen Röcken, die hinderlich sind, Kleider, die am Rücken zugeknöpft werden, damit man sie nicht allein an- und ausziehen kann. Frauen sollten ihre Arbeit im Haushalt tun können, aber nicht schnell laufen und sich nicht allein umziehen – damit sie nicht so leicht „fremdgehen“ konnten.

Denn das war wichtig. Es ging um Besitz und Eigentum, was beides natürlich nur dem Mann vorbehalten war. Eigentum – und damit Macht – wurde stets vom Vater auf den Sohn vererbt. Darum musste sichergestellt sein, dass der Sohn auch wirklich sein leiblicher war. Dummerweise ist zwar immer die Mutter, nicht aber der Vater bekannt. Darum wird die Frau peinlich genau überwacht – und das Ganze noch mit Moral, Religion und „Sitte“ verkleidet – damit dem „Herrn“ nicht ein Wechselbalg untergeschoben wird, der sich dann – Gott bewahre! – sein Eigentum erschleichen könnte.

Der Islam in seiner fundamentalistischen Auslegung vertritt das patriarchalische Prinzip besonders streng. Vielleicht kommt er uns deshalb manchmal so rückständig vor. In vielen islamischen Ländern beobachtet man das Bestreben, den Glauben wieder stärker in Vordergrund zu rücken. Andererseits wollen diese Länder wirtschaftlich zum Westen aufschließen. Ein schwieriger Spagat. Die Zukunft wird zeigen, ob sich diese beiden Positionen – mittelalterliche Tradition und technologischer Fortschritt – miteinander vereinbaren lassen.

Jörg Wartschinski