Schwüre

„Ich werde nicht aufhören, dich zu lieben. Du kannst alles machen, Du kannst aus meinem Leben gehen, aber nicht aus meinem Herzen!“ rief er mit blitzenden Augen und geballten Fäusten, und die Worte stießen von der mit Stofftapete überzogenen einen Wand gegen die anderen Wände, um nach einiger Zeit herabzurutschen und sich unter dem roten Sofa zu verkriechen.
Von dort wanderten sie Stück um Stück an der verkümmerten Yuccapalme, der mit Steinen aus der Provence gefüllten Glasvase, der verstaubten Singer-Nähmaschine, der Vitrine mit den Motorradmodellen im Verhältnis 1:18, dem spärlich bestückten Bücherregal und den achtlos auf der Erde verstreuten ‚auto-motor-sport‘-Zeitschriften vorbei, um sich unter den abgenutzten Berberteppich kehren zu lassen.
Manchmal muckten sie noch ein wenig, warfen die eine oder andere Falte, ließen den Wohnungsinhaber über quaddelige Unebenheiten stolpern, aber auch das ließ mit der Zeit nach.
Ihre endgültige Auflösung vollzog sich letzten Freitagabend, als besagter Wohnungsinhaber und Verfasser der heißen Liebesbeteuerungen eine junge, wohlproportionierte Kollegin zu einem ‚Kaffee davor‘ mit nach Hause brachte und im Laufe des Morgens beide vom Sofa auf den Berber rutschten, um sich zwischen den verstreuten Kleidern zu lieben.
Die alten Schwüre wurden erdrückt, erschlagen, zerlegt, und die neuen schwebten, Kapriolen schlagend, an der Decke.

© Cornelia Ehses