Smoking permitted

Die kleine Kneipe versinkt jeden Abend im Stimmengewirr, klirrenden Gläsern und dudelnder Musik. Durch die rauchgeschwängerte Luft heben sich die Gestalten bierseliger Männer und Frauen ab, die teils an der Theke lehnend, teils auf den längs der Wand entlang laufenden Bänken sitzend, sich gegenseitig die Welt erklären. Das Trinkerkonto schwillt mit den Strichen, die der Wirt rund um den Deckel im Verlaufe des Abends produziert, an. Vereinzelt haben Gäste die Kneipe in kleineren Gruppen verlassen, ab Mitternacht zeigt sich aber das Durchhaltevermögen der Stammgäste und Erlebnishungrigen. Die Gespräche werden schwerzüngiger, teils intimer oder an einzelnen Stellen auch hitziger. Nichts deutet darauf hin, dass es heute anders würde als die Jahrzehnte vorher, vierzig mal zweiundfünfzig Wochenenden, vierzig mal 365 Tage, der Abend ist zu spät als dass ich das noch ausrechnen könnte, geschweige denn, wie viel Gläser in dieser Zeit über den polierten Tresen gegangen sind. Wie viel fröhliche Stunden und Anlässe gefeiert, wie viel Ehen hier angefangen oder geendet haben, wie viel Freundschaften entstanden oder für immer zerbrochen sind, wie oft die Klingel von der Kegelbahn geläutet hat um eine Runde zu bestellen, wie viel Rauch nutzlos in den Raum geblasen wurde oder wie viel Ideen hier am Tresen entstanden und sich am nächsten Tag, nach nüchterner Betrachtung, in denselben aufgelöst haben.

Doch heute ist ein anderer Tag, denn heute wird hier das Rauchen eingestellt. Punkt Mitternacht sammelt der Wirt die Aschenbecher von den Tresen und Tischen. Die rauchenden Gäste stehen jetzt vor der Tür. Jede Zigarette geht jetzt nicht mehr nur auf die Lunge, sondern, wegen unzureichender Kleidung, auch an die Nieren. In der Kneipe ist die Luft sauber, aber die Kommunikation gestört. Völlig neue Konstellationen der Gesprächspartner bilden sich. Rauchende draußen frierend im Freien, Nichtrauchende drinnen im Bierdunst. Es ist ein kommen und gehen, Jacke an, Jacke aus. Fluppe an, Fluppe aus. Gesprächsfäden reissen ab, neue Informationen werden draussen aufgenommen und in die alten, homogenen Gruppen hineingetragen. Gespräche, die im Fluss waren, finden, durch Raucherpausen eine jähe Unterbrechung. So, wie im Fernsehen, wenn der Krimi durch Werbung unterbrochen wird. Früher gingen die Frauen gemeinsam zu Toilette, jetzt gemeinsam zum Rauchen. Was soll bloß aus uns und unserer Kneipengemütlichkeit werden?

© Jo Hagen